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Gesundheit heute

Schönheitsvorstellungen im Kontext der Gesellschaft

Die gesellschaftliche Akzeptanz für chirurgische Korrekturen am Aussehen eines Menschen hängt offenbar stark von den Beweggründen ab. Dafür sprechen Zahlen: Eine repräsentative Umfrage des Allensbacher Instituts für Demoskopie (Meinungsforschung) im Herbst 2000 ergab, dass 92 % der Befragten Verständnis für eine Schönheitsoperation hatten, „wenn jemand nach einem schweren Unfall entstellt ist“. Bei der Motivation, dass „eine Frau für ihren Mann schön bleiben möchte“, zeigten in derselben Umfrage nur noch 16 % Verständnis für eine Schönheitsoperation. Der Wunsch nach Annäherung an das gängige Erscheinungsbild wird gutgeheißen, der nach Schönheit eher weniger.

Was gängig ist, ist allerdings hinterfragbar: Beispielsweise unterlag die Vorstellung, wie groß der Busen zu sein hat, in den letzten 400 Jahren großen Schwankungen, und auch beim idealen Körpergewicht herrschten noch vor wenigen Generationen ganz andere Vorstellungen als heute. Ähnliches lässt sich auch für den Teint sagen – erst in den letzten 30 Jahren wurde das Ideal vornehmer Blässe überholt von dem der entspannten Urlaubsbräune.

Auch wenn in der heutigen Zeit die Beweggründe für Schönheitsoperationen unterschiedlich sein mögen, so gibt es dennoch einen harten Kern übereinstimmender Ansichten, was wünschenswert ist. Ein

  • Jugendliches Erscheinungsbild, wozu z. B. eine glatte und ebenmäßige Haut ohne Falten und Grübchen zählt
  • Symmetrisches Erscheinungsbild, was nicht nur bei Nasenverletzten manchmal zu fehlen scheint
  • Mäßiger Fettgehalt des Körpers (allenfalls an Po und Busen sind Ausnahmen erlaubt).

Mit der Lebensqualität des Patienten werden alle Eingriffe begründet, die nicht allein aus organmedizinisch notwendigen Gründen erfolgen. Sei es nun die Korrektur einer unfallverursachten Entstellung oder eine Gesichtsstraffung wegen Altersfalten, das Motiv bleibt in Grundzügen dasselbe: Die individuelle Lebensqualität soll sich verbessern, indem chirurgisch verändert wird, was den Patienten an seinem Äußeren stört oder was er gar als entstellend wahrnimmt.

Es liegt im eigenen Interesse des Operationswilligen, sich im intensiven ärztlichen Gespräch über seine Motivationen und Erwartungen klar zu werden. Der Operateur hat seinerseits die Pflicht zu ergründen, wie stark der Leidensdruck ist, den der vermeintliche oder tatsächliche körperliche Makel verursacht. Die eingangs zitierte Umfrage spricht dabei ein Grundproblem an. Der Wunsch, dem Partner zu gefallen, ist zweifelsohne ein schlechter Grund, sich einer Operation – gleich welcher – zu unterziehen. Ein so geäußerter Operationswunsch stellt eigentlich schon ein Ausschlusskriterium dar. Wenn, dann sollte der Betroffene selbst die Operation wollen – und nicht sein Partner.

Der Arzt muss daher klären, ob eine chirurgische Behandlung tatsächlich helfen könnte, oder ob nicht ganz andere Probleme hinter dem Operationswunsch stecken. Dabei müssen objektiver Befund und subjektives Erleben nicht immer übereinstimmen. Der eine hat seine Segelohren noch nie richtig wahrgenommen. Der andere erfüllt sich mit 45 Jahren – nachdem er, wie er sagt, alles erreicht hat – seinen Kindheitstraum und lässt sich die Segelohren, unter denen er seit jeher litt, endlich anlegen.

Unter Berücksichtigung der Wünsche des Patienten sowie medizinischer Aspekte rät der Operateur zu einer bestimmten Operation – oder eben nicht. Ein seriöser Operateur muss und wird ablehnen, wenn jemand unrealistische Operationsergebnisse erwartet, oder wenn gar eine Verschlechterung droht.

Von: Dr. Nicole Schaenzler, Dr. Hans-Hermann Wörl, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski

So hilft Intim-Chirurgie den Frauen

So hilft Intim-Chirurgie den Frauen
Vor allem 40- bis 60-Jährige lassen sich im Intimbereich operieren.

Ob Schamlippen, Klitoris oder Vagina: Immer mehr Frauen lassen sich im Genitalbereich operieren. Was sind die Beweggründe? Und welche Behandlungsoptionen gibt es?

Hilfe bei Leidensdruck

Was für Nasen und Augenlider schon lange gilt, ist auch im weiblichen Genitalbereich angekommen: Die Korrektur der natürlichen Verhältnisse durch Skalpell oder Laser. Das bloße Basteln einer ästhetischen Design-Vagina ist allerdings keine Aufgabe der Intimchirurgie, betont Uta Schlossberger, Präsidentin der Gesellschaft für ästhetische und rekonstruktive Intimchirurgie (GAERID).

Vielmehr geht es darum, Frauen mit oft erheblichen Leidensdruck zu helfen. Frauen, die sich nicht mehr wohl in ihrem Körper fühlen, z. B. weil ihre Vagina nach dem Kinderkriegen zu weit ist. Das diese besser einen Psychologen aufsuchen sollen, hält Schlossberger für falsch. „Man würde auch einer Aknepatientin nicht raten, zum Psychologen zu gehen“, betont sie.

Vor allem 40- bis 60-Jährige

Die meisten Frauen, die sich für einen intimchirurgischen Eingriff entscheiden, sind zwischen 40 und 60 Jahre alt, verheiratet und haben Familie. Typische Beschwerden sind eine durch Geburten erweiterte Vagina oder „ausgeleierte“ Schamlippen, die sich beim Sport oder Radfahren aneinander reiben und entzünden. Im Alter wird auch die Haut um die Klitoris herum oft schlaff und erschwert den Orgasmus. Ein durch Migration immer häufiger auftauchendes Problem sind zudem Genitalverstümmelungen, die dringend behandelt werden müssen.

Im Angebot der Intimchirurgen finden sich deshalb folgende Eingriffe:

  • Verkleinerung der inneren Schamlippen
  • Korrekturen der Klitorisummantelung, d h. Straffung der Haut um die Klitoris herum
  • Straffung der äußeren Schamlippen
  • Verengung der Vagina
  • Wiederherstellung des Genitals nach Genitalverstümmelung.

Sorge um die erogenen Zonen müssen Frauen nicht haben, wenn sie sich zur einer Operation im Intimbereich entschließen. „Dort zu operieren ist noch einfacher als eine Oberlidplastik. Nur die Klitoris darf nicht verletzt werden“, betont Schlossberger. Sie kennt jedoch keine Kolleg*in , der dieser Fehler bisher unterlaufen ist.

Raus aus der Schmuddelecke

Dennoch hat die Intimchirurgie auch mit ethischen Fragen umzugehen. Zum Beispiel gibt es laut Schlossberger viele 17-, 18-Jährige, die sich eine Vagina wie in der „Bravo“ wünschen. Auch den Trend, im Intimbereich auszusehen wie ein kleines Mädchen, sieht Schlossberger kritisch. Vor allem in den USA lassen sich massenweise Frauen dafür eine sogenannte Porno- oder Brötchen-Vagina verpassen. Schamlippen verkleinern und Vaginas verengen gehört zwar zu den Aufgaben der Intimchirurg*innen. Doch das Operationsergebnis soll natürlich sein. „Ziel ist nicht, dass es aussieht wie bei einem kleinen Mädchen, sondern so, wie es bei einer Frau früher vor den Kindern ausgesehen hat“, betont Schlossberger.

Quelle: SpringerMedizin

02.12.2020 | Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: Halfpoint/Shutterstock.com